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Die Bewässerung im Vinschgau

Von pragmatischen Bauern ausgeklügelt und der Natur angepasst

Es grenzt an ein Wunder, oder vielmehr kann man von Belohnung sprechen, wenn gerade im trockensten Alpental Äpfel höchster Produktqualität und mit dem besten Geschmackserlebnis entstehen. Wer belohnt da wen im höchstgelegenen Apfelanbaugebiet Europas? Die Antwort kennt Bernhard Botzner vom Südtiroler Beratungsring am besten.

„Die Natur belohnt die Bauern, die im Laufe der Zeit gelernt haben, im regenarmen Vinschgau ein ausgeklügeltes Bewässerungskonzept zu errichten, auf dass auch die durstigen Apfelbäume die richtige Menge Wasser im richtigen Moment erhalten.“

Es ist so, wie wenn die Natur gerade aus diesem Grund hier und nicht anderswo die besten Früchte hervorbringt, eben weil der Ideenreichtum und Wille der Vinschger, die alpine Bergwelt für sich und ihre Familien bestmöglich zu nutzen, einfach eine Belohnung verdient. Hier geht es um gegenseitige Sympathie und Respekt: Beide Seiten, Natur und Mensch, respektieren einander und zahlen sich gegenseitig Tribut. Sie brauchen einander und beide haben dies verstanden. Auch Apfelbäume sind durstig: Es braucht ca. 700 Liter Wasser zur Herstellung eines Kilogramm Äpfel. Ein Spargel „trinkt“ mehr als doppelt so viel, ebenso Weizen und Gerste. Am meisten „trinkt“ wohl Kakao mit 27.000 Liter, also fast 40 Mal mehr als ein Apfelbaum zur Herstellung eines Kilogramm Golden & Co benötigt.

„Der trockene Vinschgau ist ein Tal von ca. 70 km Länge mit reiner West-Ostausrichtung. Vor allem im Norden riegeln sehr hohe Bergmassive das Tal von regenbringenden Wolken aus dieser Himmelsrichtung ab. Die potentiellen Durstlöscher kommen aufgrund der Bergmauern nicht ins Tal rein, sondern produzieren Föhnwind, der erst recht für Trockenheit sorgt. Bei uns fallen im Schnitt nur 500 l Niederschlag pro m² und Jahr. Im Vergleich dazu fallen im benachbarten Meran schon fast 800 l/m² und Meran befindet sich nur weniger Kilometer außerhalb des Vinschgaus.“
Diese einzigartige Insellage des Vinschgaus hat dazu geführt, dass hier die Bauern besonders zielstrebig für ihr kostbares Wasser kämpfen mussten und müssen. Während am nördlich gelegenen Sonnenberg das Jahrhunderte alte System der „Waale“ die mühevolle Antwort auf die Trockenheit war und ist, so ist es am südlich gelegenen Nördersberg das System von Stollen, Staubecken und Tiefbrunnen, das für den nötigen Frischekick der Apfelplantagen mit dem Gletscherwasser der südlichen Alpenmassive sorgt.

„Ohne unser antikes und nun modernes Bewässerungssystem mit seinen komplexen Facetten aus Etschwasser, Waalwasser und Gletscherschmelzwasser wäre der Vinschgau nie zum Apfelparadies geworden. Heute sind wir in der Lage 99% der landwirtschaftlichen Fläche mit künstlicher Bewässerung zu versorgen. 50% davon erfolgen bereits mittels ressourcenschonende Tropfbewässerung. In Zukunft wird die Tropfberegnung noch stärker zunehmen und in absehbarerer Zeit auf 100% der Fläche installiert sein. Sowohl in den Tallagen als auch am Hang. Heute und in Zukunft benötigen wir die Überkronenbewässerung im Tal vor allem zur Frostabwehr während der Blütezeit. Was die Bekämpfung der Trockenheit angeht, spielt dieses Bewässerungssystem mit der Installierung der Tropfberegnung zunehmend eine untergeordnete Rolle."

Wie wichtig und wie ausgeklügelt das Vinschger Bewässerungssystem ist, wird anhand der über 45 Wetterstationen des Südtiroler Beratungsringes im Vinschgau deutlich. Die Stationen liefern unter anderem wertvolle Daten hinsichtlich Temperatur, Luftfeuchte, Wind und Verdunstung. Die Bauern können sich mittels mobiler App über die tägliche Verdunstung informieren und mit gezielter Bewässerung ein etwaiges Wasserdefizit kompensieren. Im Sommer macht die tägliche Verdunstung bei einer Außentemperatur von über 30° C ca. 6-7 mm/m² aus, wohl gemerkt in einem Tal, in dem pro Jahr nur 500 mm Niederschlag fallen.

„Und durch die Beregnung muss ja nicht nur die Verdunstung kompensiert werden, sondern der Baum muss schließlich auch noch Früchte bester Qualität entwickeln. Deshalb muss er mit Bedacht trinken.“

Die im Vinschgau immer wichtiger werdende Tropfberegnung gibt es bereits seit den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts und bedient sich eines einfachen Prinzips: Der Wurzelapparat des Apfelbaumes wird mittels Wasser, das tröpfchenweise aus einer Leitung in der unmittelbaren Nähe des Stammes austritt, bewässert. Somit wird bei der Tropfberegnung die sog. Fahrgasse zwischen den Apfelbäumen nicht benetzt. Diese bleibt trocken und führt in den trockenen Südhängen im Hochsommer sehr oft dazu, dass die Grasnarbe sich nicht mehr entwickelt und „verbrennt“. Ein weiterer wichtiger Beweis, dass die natürlichen Niederschläge nicht immer ausreichen. Die Bauern im Tal haben gelernt mit dem kostbaren Element Wasser im Vinschgau schonend und effizient umzugehen.


Zur Erklärung:
Der gefallene Niederschlag wird in der Maßeinheit Millimeter (mm) angegeben. Eine Niederschlagshöhe von 1 mm entspricht der Niederschlagsmenge von 1 l/m². Somit entspricht die Niederschlagshöhe von 500 mm einer Niederschlagsmenge von 500 l/m².
 

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