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Jede Wiese ist anders
Gewusst wie: Gleiche Qualität auf unterschiedlichen „Bodenschätzen“
Felix Telser und Vater Reinhard
Wenn Felix Telser zusammen mit seinem Vater Reinhard die familieneigenen Apfelwiesen begeht, die zu ihrem „Hof am Ort“ in Kortsch gehören, dann stellt er Vergleiche an, meist intuitiv und unbewusst. Denn der Landwirt kümmert sich um drei verschiedene Wiesen, alle drei kaum 10 km voneinander entfernt, aber doch so völlig unterschiedlich in ihrem Wesen. „Das Einzige, was die drei Wiesen eindeutig gemeinsam haben, ist die Pflanzung der Apfelreihen in Richtung Nord-Süd, also sozusagen gegen die Ausrichtung des Vinschgaus, der eine West-Ost Ausrichtung hat.“ Warum das so ist, klingt nach kurzer Erklärung des Jungbauern sehr plausibel. In den Morgenstunden kriegt so die rechte Seite der Apfelreihen wärmende Strahlen vom Osten her ab und am Nachmittag tritt die linke Seite aus dem Schatten und erhält ihren Anteil an der Vinschger Sonne, die inzwischen vom Westen her scheint. Eine Art wohltuende Gleichberechtigung, die die Geographie des Vinschgaus ermöglicht und der fachkundige Vinschger Bauer zum Wohle seiner Früchte für sich nützt. An über 300 Sonnentagen pro Jahr.
„Doch ansonsten sind die Unterschiede zwischen unseren Wiesen recht groß und deshalb wurden sie auch mit unterschiedlichen Apfelsorten bestückt. Damit jede Sorte das für sie bestmögliche Habitat bekommt.“ Die Natur zu lesen und dann Schlussfolgerungen zu ziehen, diese Aufgabe beschäftigt Felix fast jeden Tag. Während die drei Wiesen zwar ähnlich gut von der intensiven Vinschger Sonne und dem frischen Vinschger Wind „betreut“ werden, führt allein der Unterschied in der Meereshöhe von grade mal 100 Metern zu wahrnehmbaren Abweichungen, was Temperatur und Vegetation angeht. „Die tiefer gelegene Wiese steht mindestens eine Woche vorher in der Vollblüte, während die höher gelegene erst langsam über ein Blühen nachdenkt.“, erläutert Felix.
Auch das Wasser, mit dem die Wiesen versorgt werden, ist nicht dasselbe. Während sich die beiden höher gelegenen Wiesen vorwiegend mit Gletscherwasser aus dem Stelvio-Massiv ernähren, das auf seinem langen Weg zur Wiese durch Bach und Felsen intensiv mit natürlichen Mineralstoffen angereichert wird, verfügt das Beregnungswasser der tiefer gelegenen Wiese über weit weniger Kalk, weil es weniger lang und in einem anderen Gebirge unterwegs war. Unterschiedliche Herkunft des Wassers, unterschiedlicher Karbonat-Anteil, unterschiedliche Herangehensweise zum Beispiel an die Düngung des Bodens. Den größten Unterschied zwischen den Wiesen stellt Felix im Boden fest. Während die einen Wiesen sandig sind und daher weniger Wasser speichern können, ist die andere eher lehmig. „Wenn ich bei sandigen Böden mal zwei Wochen mit der Beregnung aussetzen würde, könnte es sogar zum schnellen Tod der Bäume führen, während ich beim lehmigen Boden noch gar keine Anomalie am Baum bemerken würde.“
Auch unerwünschte Pilze, die an Apfelanlagen große Schäden anrichten können, scheinen über die Unterschiede in den Wiesen informiert zu sein. Das kann Felix eindeutig feststellen: Der Schorfpilz befällt die Wiese in der steileren Hanglage weniger gern, dafür ist der Mehltau manchmal zu Gast. Die beiden Wiesen in der flacheren Tallage verhalten sich genau umgekehrt. Der fachkundige Vinschger Bauer zieht daraus folgerichtig seine Schlüsse: Er baut Sorten wie Pinova und Bonita – also Sorten, die Schorf eher tolerieren - dort an, wo dieser Pilz eher auftritt, während er seine Golden, Kanzi, Ambrosia und Gala nur in der weniger anfälligen Hanglage anbringt. Vor allem die Golden Delicious haben sich dort seit Generationen bewährt. Ihre beliebten roten Bäckchen verlangen förmlich nach steileren Hanglagen, Berg-Golden eben. Dafür ist der Vinschgau schließlich bekannt.
Für den Anbau seiner zweifarbigen Sorte Pinova auf der Wiese mit der größten Meereshöhe spricht noch ein anderer Faktor. Ein weiterer, ganz pragmatischer Grund: „Auf dem sandigen, eher kiesigen Boden dort wachsen die Bäume nicht so stark. Der Boden ist nämlich nicht so tiefgründig, weniger humusreich, die Wurzeln fühlen sich dort weniger wohl. Trotzdem ideal für zweifarbige Sorten wie Pinova. Denn wenn die Pflanze weniger stark wächst, färbt sich die zweite Farbe besser aus.“ In der Tat ist der Pinova dort in der Zeit nach der Blüte bis wenige Wochen vor der Ernte noch einfarbig, „nur“ grünlich-gelb. Erst kurz vor der Ernte kommt das leuchtende und typische Rot dazu. Die hohen Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht besorgen den Rest. So kommt es dazu, dass der Pinova auf dieser Wiese erst in „letzter Minute“ seine sortentypische Färbung erhält. Eben durch die Besonderheit des Bodens in dieser Lage. Felix weiß das eben und sein Vater Reinhard auch.
Den Boden jeder einzelnen Wiese zu kennen, bedeutet für Felix vor allem sein Bodenleben zu verstehen. Je ausgeprägter es ist, desto fruchtbarer der Boden. Dabei spielen Regenwürmer, Käfer, Pilze, Bakterien und Algen eine entscheidende Rolle. Vor allem eine messbare Rolle: Pro Quadratmeter fruchtbarem Boden kann man ca. 0,5 kg an lebenden Organismen wiegen. Also bis zu 5 Tonnen pro Hektar. Das soll so bleiben, genauso wie es seit Generationen war.
„Auf der Wiese ist man nie allein. Millionen von Tieren und Mikroorganismen begleiten uns. Dabei sind Regenwürmer die Nummer 1. Sie wühlen sich durch den Boden und lockern die Erde, indem sie abgestorbenes Pflanzenmaterial fressen und zusammen mit mineralischen Elementen ausscheiden. Die Basis für besten Humus.“ Eine fruchtbare Verkittung von organischen und mineralischen Bodenteilchen, je nach Wiese unterschiedlich stark ausgeprägt und für den Landwirt Felix von vitaler Bedeutung für seine Früchte. „Die Wiese in der Hanglage weist zum Beispiel nach Regenfällen viel mehr Löcher von Regenwürmern auf, als die beiden in der Tallage. Die unterirdischen Gänge dieser Bodenbewohner sind bei Regen voller Wasser und sie kommen dann quasi zum „Luftschnappen“ an die Oberfläche. Die Wiese mit dem lehmigen Boden in der Hanglage füllt sich bei Regen schneller mit Wasser auf und die Tierchen müssen hoch. So trifft man endlich seine mitwirkenden Mieter.“ schmunzelt er.
Alle Sorten, die Felix und sein Vater anbauen, stehen auf unterschiedlich wertvollen „Bodenschätzen“, zusammengesetzt aus mineralischen Teilchen, Wasser, Luft und eben den vielen lebenden oder bereits abgestorbenen Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen. Regelmäßige externe Bodenanalysen geben Felix in periodischen Abständen Bescheid, wie es um das innere Gleichgewicht seiner drei Wiesen steht. Felix hält sich informiert, denn jede Wiese ist anders und jede Apfelsorte braucht ihr ideales Bodenhabitat. Dafür sorgen Felix, sein Vater Reinhard und 1.700 weitere Vinschger Bauernfamilien. Für viel Sonne, frischen Wind und starke Temperaturschwankungen sorgt das Apfelparadies Vinschgau mit seinen einzigartigen Voraussetzungen. Seit Generationen. So wird der Apfel nicht nur schön, sondern auch typisch geschmackvoll Vinschgerisch.