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Mit Tatendrang in die fruchtbare Zukunft

Von der Rodung und der Vorfreude auf neues Leben

Thomas Spechtenhauser
vom Stoanhof in Tschengls
Thomas Spechtenhauser ist Einwohner von Tschengls, einer kleinen Fraktion der Vinschger Gemeinde Laas. Während sich der Hauptort durch den harten, wetterbeständigen Marmor seiner Steinbrüche im Laufe von über 150 Jahren quasi einen Markennamen erkämpft hat, ist Tschengls ein noch weithin unbekanntes Fleckchen Erde. Die allerwenigsten Südtiroler würden die kleine Siedlung am gleichnamigen Schuttkegel eindeutig geografisch zuordnen können, würde man sie befragen.

Die Tschenglser sind Meister im Understatement und Thomas ein waschechter Tschenglser. Er weiß was er erreicht hat, dennoch muss er es nicht hinausposaunen. Sein „Stoanhof“ liegt zwar nur wenige Meter von der adeligen Tschenglsburg entfernt und thront über dem Laaser Tal, während seine Wiesen zum Großteil in der fruchtbaren Ebene liegen, dennoch gibt er sich keine Starallüren. Seine Risikofreudigkeit und sein Tatendrang haben viel dazu beigetragen, dass er im konventionellen Apfelanbau erfolgreich wurde. Erfolgreich durch Sortenvielfalt. Die kannte er schon, als seine Familie mit dem Verkauf von Blumenkohl, Roten „Ronen“, Sellerie und einer besonderen Art von Sommerradicchio das erste Geld auf die Seite legte, um die Investitionen für den Anbau der ersten Jonagold-Äpfel zu stemmen. Das war im Jahre 1988. Zehn Jahre später folgten die ersten Golden Delicious, dann auch Gala.
„Heute träume ich von Ambrosia, einer Kanadierin.“
Seine Frau ist auf sie nicht eifersüchtig, denn Ambrosia soll nicht sie, sondern einige seiner traditionellen Apfelsorten ersetzen. Die Sorte soll laut Südtiroler Beratungsring, dem Versuchszentrum Laimburg sowie seiner Genossenschaft gute Erfahrungswerte in ähnlichen Lagen geliefert haben. „Wir hier in Tschengls würden viel mehr neue Sorten anbauen, nur sind wir vom Klima her etwas eingeschränkt. Spätsorten wie z.B. eine Envy™, Fuji oder yello® würden hier riskieren, harten Frostnächten zu begegnen. Wir brauchen Sorten, die wir vor Einbruch schädlicher Kälte schon ernten können.“ Risikofreudig ja, waghalsig nein. Denn Thomas weiß, was mit gefrorenen Früchten passiert. Sie brechen. „Äpfel sind eben nicht aus Marmor, dafür schmecken sie bedeutend besser!“ lacht Thomas.

Um sein neues Abenteuer mit Ambrosia einzugehen, hat er bereits in den letzten Oktoberwochen, gleich nach beendeter Ernte der Golden Delicious, eine seiner Apfelplantagen gerodet. Eine mühevolle Arbeit, die mit dem Sägen der Stämme, der Entfernung der Wurzelstöcke sowie der Lagerung des Brennholzes endet. Die Rodung, erster Schritt für neues Leben und Beginn eines neuen Abschnitts in der strategischen Zukunftsplanung des Stoanhofes. „Die Bäume, die ich gerodet habe, waren knapp 15 Jahre alt. Ich hätte sie noch länger behalten können. Sie haben noch gute Früchte gebracht, aber…“ Plötzlich unterbricht er, als ob ihm nicht auf Anhieb die richtige Formulierung für seinen Entschluss einfallen würde. Bald wird klar, dass er den starken Drang verspürt, etwas Neues zu probieren. Thomas gibt zu, dass auch ein 20 Jahre alter Baum, wenn sachgemäß gepflegt und geschnitten und vom überschüssigen Blattwerk befreit, immer noch zufriedenstellende Ergebnisse bringen würde…aber…eben nur zufriedenstellende. Dieses „Aber“ ist im Wortschatz von Thomas fest verankert. Es ist Synonym von „Ich will es einfach tun, was Neues ausprobieren, auch wenn noch einige Gründe dafürsprechen, beim Altbewährten zu bleiben.“ Aber es sprechen eben mehr Gründe dafür, eine neue Sorte einzubringen. „Die Qualität der geernteten Früchte ist bei neuen Bäumen viel höher. Es ist eine Tatsache, dass junge Bäume eine Fruchtqualität bieten, die ältere Bäume einfach nicht mehr garantieren können und schließlich hat sich auch das Verhalten der Konsumenten geändert. Sie wollen neue Sorten ausprobieren, auch weil sich die Erwartungen an den Geschmack verändert haben.“ Thomas will für die Zukunft gerüstet sein. Daher verlässt er die Komfortzone, er liebäugelt ständig mit neuen Herausforderungen.

Qualität steht bei Thomas an oberster Stelle. Mit Ambrosia möchte er eine Apfelsorte auf seinem Hof einführen, die im Vinschgau bestens gedeihen kann und dort ihren vollen Geschmack entwickeln sollte. Die Qualität erreicht der Tschenglser Apfelbauer durch die integrierte Anbaumethode, die – davon ist er überzeugt – immer mehr Richtung Natürlichkeit geht. „Die Grenzen zwischen der integrierten und der biologischen Anbauweise werden immer fließender.“, davon ist Thomas überzeugt. Seine Aufgeschlossenheit lässt ihn auch den Weg zum biologischen Anbau für die Zukunft nicht ausschließen. „Mal seh’n wie sich alles entwickelt.“

Seine Unvoreingenommenheit bringt ihn dazu, sich immer „Up to date“ zu halten. Er besucht Bildungsreisen und geht auf Messen. Anfang April will er auf dem gerodeten Feld die ca. 2.400 neuen Ambrosia-Bäumchen setzen. Ein Projekt, das Frucht eines langen mentalen Prozesses ist. Sozusagen ein weiterer wichtiger Moment in der individuellen Geschichte des Stoanhofes.

„Die Wiese ist hergerichtet, der Frühling möge kommen. Die neuen Bäumchen erwartet eine prächtige Lage.“
Die Vorfreude ist groß. In der Zwischenzeit hat Thomas genügend Holz, um über den Winter zu kommen. Im zukünftigen Ambrosia-Reich steht die Tropfbewässerung schon bereit, auch für die Überkronenbewässerung ist alles hergerichtet. Um sich alle Optionen auf dem neuen Ambrosia-Feld offen zu lassen, hat er auch die höheren Pfeiler für einen eventuellen Hagelschutz fest im Boden verankert. Kann sein, dass Thomas seine neuen Bäumchen damit schützen wird, vielleicht. Denn schließlich hat er in seine neue Liebe viel Zeit investiert, zuerst gedanklich dann mit Taten. Und es wird noch viel Arbeit auf ihn zukommen, bevor er die honigsüße Kanadierin mit den roten Wangen sein Eigen nennen kann und reinbeißen wird. Wie gesagt, die Vorfreude ist groß.
 

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