Wenn man auf Erkundungsreise in die Welt der Gartenerdbeeren eintaucht, wird man sehr schnell von den wohltuenden Klängen ihrer Bezeichnungen verzaubert. Lange bevor man sie überhaupt gekostet hat: Elvira, Julietta, Elsanta, Korona, Primera, Senga Sengana, Donna, Lambada, Sonata, Salsa… Eine eindeutig weibliche Domäne, die sich nicht nur bei der Namensgebung der süßen Züchtungen durchgesetzt hat. Auch was die Erntehelfer angeht, ist die Welt der Naschbeeren eindeutig weiblich.
„Über 95 % meiner Erntehelfer sind Frauen. Sie gehen gefühlvoller und schonender mit den Früchten um.“, bestätigt Reinhard Staffler, Obmann der Marteller Erzeugergenossenschaft MEG. Reinhard bewirtschaftet zusammen mit seiner Frau Marika den Schleidhof in Tabland bei Naturns. Auf ca. drei Hektar an steilen Flächen rund um den Hof hat er einen großen Naschgarten mit festen und schmackhaften Früchten angelegt. Das starke Erdbeeraroma ist bei der Hauptsorte Elsanta besonders verführend. Die Früchte dieser Sorte sind sehr fest, das Innere leuchtend rot mit einem weißen Kern.
„Geschmack und Optik passen bestens. Der Ertrag ist ebenso sehr gut.“ Elsanta stammt ursprünglich aus den Niederlanden. Wer hätte gedacht, dass gerade so eine Sorte hoch oben in den Vinschger Seitentälern so prächtig gedeihen würde. Dazu ist bei der Intensivkultur wie der Erdbeere auch in diesem Fall viel Fleiß angesagt. Reinhard beschützt die Pflanzen im Zeitraum vor der Reife bis nach der Ernte mit einem Folientunnel. Dieser hält Regen und Hagel fern und verhindert während der Ernte wetterbedingte Unterbrechungen. Was für den Laien nach einem Gewächshaus aussieht, ist in Wahrheit eine große Beete unter einer einfachen, begehbaren Schutzabdeckung, die nach der Ernte wieder entfernt wird. „Auf allen Seiten des Folientunnels kommt Luft rein. So wird es unter der Abdeckung nie zu heiß. Die Beeren vertragen keine Hitze. Diese lässt die Früchte zwar sehr schnell rot werden, verhindert aber richtiges Wachstum.“
Während die Erdbeere im Sommer mit warmen, aber nicht zu heißen Temperaturen am besten heranwächst, benötigt die Trägerpflanze im Winter viel Schnee. Dieser schützt Elsanta & Co vor kaltem Wind und somit vor Austrocknung. „Das ist ein sehr wichtiger Aspekt. Der Vinschgau bietet im Martelltal und in den anderen Lagen, wo Erdbeeren angebaut werden, in diesen Wintermonaten optimale Voraussetzungen für den Erdbeeranbau. Die hohen Bergflanken halten den Wind großteils fern und noch fällt ausreichend Schnee als Schutz vor dem restlichen Wind. Der Schnee fällt früh genug und baut sich wie ein Iglu über die sensiblen Pflanzen auf. Wenn die Außentemperatur bei -15° C angelangt ist, herrschen unter dem Schnee in Pflanzennähe noch akzeptable „warme“ -3° C.“ Durch diesen natürlichen Schutz vor Austrocknung, überwintern die Pflanzen bis in den Frühling unbeschadet. Wenn der Schnee dann weicht, ist das Laub darunter noch grün. Das besondere Mikroklima des Vinschgaus hemmt auf natürliche Weise auch das Aufkommen vieler Schädlinge, die in anderen Anbaugebieten Probleme bereiten und entsprechend bekämpft werden müssen.
Noch liegt im Vinschgau alles im grünen Bereich. Doch auch Reinhard blickt dem weltweiten Klimawandel mit leichter Besorgnis entgegen. Die oft zu Winterbeginn ausbleibenden und nicht mehr so verlässlichen Schneefälle machen ihn stutzig. Ohne Schnee droht Dehydrierung. Eine schlimme Vorstellung, die sich zum Glück noch nicht in einem „worst case“ Szenario bewahrheitet hat. Noch ist der Vinschgau ein gelobtes Land für die Vitamin C-Bomben. Für die Ernte im Hochsommer beschäftigt Reinhard 25-35 fleißige Erntehelfer, mit denen er jeden zweiten bist dritten Tag dasselbe Erdbeerfeld durchgeht und die sensiblen Früchte direkt in die Verkaufskartone pflückt. Erst nach 10 – 15 Pflückgängen im Bücken ist ein Erdbeerfeld fertig gepflückt. Eine Intensivkultur eben, wie der Name schon sagt sehr intensiv.
Die Familie Staffler hat im Jahr 2017 den Bergbauernpreis der Raiffeisenkassen Südtirols entgegengenommen. Dem Betrieb wurden aufgrund der Steillage ihres Schleidhofes auf 1.000 Meter Meereshöhe 106 sog. Erschwernispunkte zugewiesen.
Reinhards Frau Marika ist neben ihrer Arbeit am Hof auch Botschafterin für bäuerliche Produkte in den Schulen. Am Schleidhof werden neben den Erdbeeren auch Kirschen und Marillen angebaut. Nach der Ernte beginnt für die Familie Staffler eine etwas ruhigere Zeit. Zumindest was die Erdbeeren angeht. Die Familie lebt auch von der Milchwirtschaft. Im Stall hat Reinhard 20 Stück Braunvieh. Die Kuhmilch wird täglich vom Meraner Milchhof abgeholt, wo das „Frozen Joghurt“ derzeit ein Renner ist. Mit frischen Erdbeeren vom Schleidhof oberhalb von Naturns eine absolute Empfehlung. Reinhards Geschmacksfavorit ist allerdings eine rein hausgemachte Spezialität: Der Erdbeersekt seiner Frau Marika. Die richtige und bisher geheime Dosierung von Sekt und feinstem Erdbeerpüree entfaltet besondere Aromen und spricht Geschmacksknospen an, die prickelnd vom Erdbeeraroma von Elsanta & Co aktiviert werden.
So oder so…die Erdbeere aus dem Vinschgau ist jede Erkundungsreise wert. Mit Suchtcharakter.